By the way 335 - Selbst die PR ist zweite Liga

Wenn sportlich nichts läuft, sollte zumindest die Reklame gut sein. Aber selbst das schafft der VfB nicht. Mit einer Kopie eines Dänen-Videos krönt der Fußballklub seine Kampagne „Wir sind Stuttgart“. Nur der Bisexuelle fehlt.

Da hat man nun, ach PR und Marketing und irgendwas mit Medien und Journalismus gemacht, nicht studiert, aber von der Pike auf gelernt und arbeitet seit mehr als 20 Jahren in diesem Job. Und dann guckt man sich ein Video des VfB Stuttgart an - und staunt. Das soll der Höhepunkt einer mehrmonatigen Kampagne mit dem sinnigen Namen #wirsindstuttgart sein?

Wochenlang sind dafür Fotos geschossen worden. Von echten und falschen VfB-Fans, vereint im unbedingten Kampf um den Klassenerhalt. Im Netz ist eifrig darüber diskutiert worden, ob hier nicht Katalogpärchen wie Caro und Stefan oder irgendwelche Hipster aus Berlin hergenommen wurden, die mit dem roten Brustring so viel zu tun haben wie der VfB mit dem Kampf um den Champions League-Titel. Oder Hannah, Sarah und Olivia, die drei Models auf dem Stuttgarter Schlossplatz. Laut Verein stehen sie auf den VfB und „gerne auch mal am Clubzentrum um Autogramme an“, was die jungen Frauen wiederum auf ihren Instagram-Profilen schnurstracks dementieren und sich auch noch darüber lustig machen.

Für wen wirbt das Video? Für die Aktion Mensch?

Aber wie gesagt, der Höhepunkt war das Video, auf das man nach der bis dahin eher gemischt verlaufenen Kampagne gespannt sein durfte. Zu sehen gab es schließlich das:

https://www.youtube.com/watch?v=Qlgq3Gj9djI

Und dann stellt sich heraus, dass dieses Video des VfB Stuttgart quasi eins zu eins abgekupfert ist von einer anderen Produktion. Von einem Video des dänischen Fernsehsenders TV2 aus dem Jahr 2017. Hier das dänische Video:

https://www.youtube.com/watch?v=jD8tjhVO1Tc

Keineswegs soll jetzt an der Machart, der Qualität, der Botschaft des Videos, der Schwere und Gefühlsduselei des Ganzen herumgemäkelt werden – auch wenn man als unbefangener Betrachter gar nicht weiß, ob es von der Aktion Mensch kommt oder von einem Fußball-Bundesligisten. Zudem spielen in dem Video ja auch einige dem durchschnittlich gut vernetzten VfB-Fan durchaus bekannte Zeitgenossen mit, die diese Tirade hier am allerwenigsten verdient haben. Aber hallo, wie dreist kann man sein, einen solch‘ großen und sicher auch groß budgetierten Auftrag als derart krasse Kopie eines durchaus nicht unauffindbaren Originals abzuliefern? Das, liebe zuständige Stuttgarter Agenturmenschen, lieber VfB, hätte ich mich bei allem Respekt nicht getraut. Das hätte ich allerdings auch gar nicht gewollt. Denn eigentlich war das doch ein wirklich toller Auftrag. Ein Auftrag, in den man seine ganze Kreativität reingeben kann und das auch noch für den Verein, dessen Fan man ist, dessen Brustring man quasi eintätowiert hat.

Nicht, dass es generell verboten oder unlauter wäre, besonders gelungene oder für gelungen erachtete Elemente anderswo zu erkennen und in ähnlicher Form in sein eigenes Werk einzubringen. Von mir aus. Verbenweglassung a la Wolf Haas zum Beispiel hier ja nun auch nicht unüblich. Aber das komplette Ding einfach mehr oder weniger komplett übernehmen, nur andere Leute hinstellen und den Bisexuellen raus streichen, weil so was mag der Schwabe nicht? Dazu muss man schon ganz schön schmerzfrei sein.

Ein Stück weit lieferten die Dänen die Vorlage, sagt der VfB

Wer aber nun en detail besonders schmerzfrei sein muss, die Agenturmenschen oder der VfB als Auftraggeber, darüber kann man nur mutmaßen. Denn zur Genese des Videos befragt, bittet die ausführende Agentur, Fragen an den VfB Stuttgart direkt zu richten. Der wiederum antwortet in Person seines Pressesprechers Tobias Herwerth zwar ausführlicher und wie gewohnt durchaus freundlich, aber auch nicht unbedingt konkreter:

„Das Video zu ‚Wir sind Stuttgart’ wurde vom VfB konzipiert und gemeinsam mit einem externen Dienstleister umgesetzt.“ Zur Frage nach dem dänischen Video, das offenkundig als Vorlage diente, meint Herwerth, der VfB habe sich „ein Stück weit die dänische Version zum Vorbild genommen und die Idee auf ‚Wir sind Stuttgart’ übertragen.“

Klingt nach Indolenz bei allen Beteiligten. Vor allem aber beim VfB Stuttgart. Dort arbeiten nicht nur ein oder zwei hoffnungslos überlastete Verzweifelte im Bereich Marketing, sondern etliche Leute, von denen sicher auch der eine oder die andere das Handwerk gelernt und einige Erfahrung vorzuweisen hat. Von denen ein sicher nicht zu kleiner Teil seit Ewigkeiten sich mit diesem Filmprojekt als Kampagnenhöhepunkt und bedeutendem Bestandteil der Öffentlichkeitsarbeit beschäftigt, Skripts diskutiert, mögliche Ansätze besprochen, unzählige mögliche Motive und Settings auch von der Agentur präsentiert bekommen hat.

Und niemand hat verhindern können oder verhindern wollen, dass hier einfach eine Kopie eines dänischen Videos produziert wird? Als ob im VfB-Marketing lauter Robin Dutts arbeiten. Lauter Leute, die es, wie der ehemalige Alleinbestimmer an der Mercedesstraße, immer selbst am besten wissen und möglicherweise darauf spekulierten, es werde schon nicht rauskommen, dass hier nicht nur „ein Stück weit“, sondern vollrohr im copy and paste-Modus gearbeitet wurde.

Auch die Frage nach dem Motiv für die ganze Aktion trägt nicht zu tieferer Erkenntnis bei. Wenn schon Kopieren über Studieren geht, hätte womöglich weiter geholfen, wenn man wüsste, wozu die Kampagne gut sein soll? Dazu nochmals der Pressesprecher: „Mit ‚Wir sind Stuttgart’ soll verdeutlicht werden, dass beim VfB alle willkommen sind und die Liebe zum Verein alle gleich macht. Ohne Ausgrenzung, ohne Klassen, ohne Wertung. Die Kampagne verdeutlicht die Vielfalt unserer Fans und wirbt dadurch für gegenseitigen Respekt. Trotz unterschiedlicher Ansätze und Meinungen sollen letztlich alle in dem einen Ziel vereint sein: Ein erfolgreicher VfB in der ersten Liga.“

Logisch eigentlich. In einem Verein, dessen autokratischer Vorsitzender behauptet, der „Präsident aller Mitglieder“ sein zu wollen, sind natürlich auch alle willkommen. Zumindest alle, die Ja zum Erfolg sagen, brav ihr Geld ins Merchandising versenken und ansonsten den lieben Gott einen guten Mann sein lassen beziehungsweise bei anstehenden Mitgliederversammlungen ihr Kreuzle am rechten Fleck machen, so wie man das früher im Schwäbischen machte, als die CDU noch irgendwie alternativlos schien.

Da passt eben auch eine solche Kampagne, ein solches kopiertes Video. Nur weil jetzt Thomas Hitzlsperger Sportvorstand und Michael Reschke vom Hof gejagt ist, ist noch lange nicht alles anders und noch viel länger nicht alles gut. Wir sind immer noch Sechzehnter, holen immer noch zu wenig Punkte. Auf dem Platz genauso wie daneben. Und sind in viel zu vielen Belangen höchstens zweitligareif.