By the way 353 – kaum VfB, dafür die Frage, wann das anfing, dass die Dinge immer weiter ausfransten...

Vielen Menschen war schon immer vieles scheißegal. Manchen sogar alles. Und trotzdem fühlt es sich an, als sei irgendwann ein Punkt überschritten worden, bis zu dem die Dinge noch halbwegs im Lot waren. Irgendwann früher, als Menschen wie Idi Amin noch lebten, da waren immer noch etliche unterwegs, die anders drauf waren als der alte Kannibale in Fantasieuniform. Die der Meinung waren, man könne nicht einfach alle Skrupel über Bord werfen, im Großen wie im Kleinen. Dass neben einem halben lauwarmen Säugling zum Frühstück und einem zum Bersten vollen Geldspeicher tatsächlich auch noch andere Dinge von Bedeutung existierten.

Nicht, dass ich sagen wollte, früher wäre alles toll gewesen. Aber es war halt irgendwie weniger global brutal, höchstens regional. Weniger dem Kommerz untergeordnet. Weniger von rücksichtsloser Gier getrieben. Versteht Ihr, was ich meine? Oder bin ich einfach langsam deppert, weil zu alt für das Leben?

Gefühlt war es irgendwann in den Achtzigern des vorigen Jahrhunderts, dass die Dinge aus dem Lot gerieten. Als im Großen und Ganzen nichts passierte außer der Ermordung des großen Anwar El-Sadat. Als deutsche Bundeskanzler noch rauchten, als Akten statt WhatsApps hin und her geschickt wurden.

Und dann kam Tempo rein. Mehr TV, mehr Information, mehr Internet, immer schneller alles, immer unmittelbarer. Immer größer auch, immer mehr. XXL fressen und saufen, zehn Mal so viel Zucker überall drin, zehn Mal so viel THC, Wodka statt Bier, Muskeln ohne Anabolika viel zu wenig. Jeden Tag fünf Fußballspiele live, und nachts dann die Vorrunde der Copa Libertadores, jeden Tag zehn Tonnen Plastikmüll, Mangostückchen einzeln in Folie verpackt. Im Supermarkt wie im Super-Web – immer alles erhältlich, die Welt ist ein Dorf.

In der Folge auch hierzulande alle immer fetter. Der Pfälzer an sich, Genießer vor dem Herrn, der ist doch früher wenigstens noch ein, zwei Stündchen gewandert zwischen zwei Hütten. Heute schafft er grade noch 30 Minuten, bevor er sich in der nächsten Hütte mit Essen weiter vollstopfen und auf die Schoppen noch zwei Schnäpse kippen muss. Nicht, dass gegen den Pfälzer, den Schoppen oder den Schnaps an sich was zu sagen wäre. Aber die Hütten stehen immer näher beieinander...

In den Nachrichten die Meldung, dass in den Krankenhäusern nur noch 3,41 Euro pro Patient und Tag für Ernährung ausgegeben werde. Rückgang um fast einen Euro – seit letztem Jahr. Klar, denn Krankenhausessen ist längst privatisiert, da geht es nicht um gesund werden sondern um Gewinn machen. Von den skandalösen Beschäftigungsverhältnissen für Pflegende will ich gar nicht erst anfangen.

Eigentlich geht es doch darum, die Menschen mit ungesundem Essen und vorsätzlich herbeigeführten Abhängigkeiten krank zu machen, auf dass sie noch mehr Medikamente nehmen und sich häufig behandeln lassen müssen. Damit in den entsprechenden Industrien möglichst viel Gewinn erzielt wird, von dem aber nur wenige etwas haben. Und so weiter und so fort, endlos mehr Beispiele stehen an jeder Ecke bereit. Verantwortlich für solche Zustände sind die Leute, die sich wie kleine Idi Amins schmerzfrei und skrupellos durchs Leben bis nach ganz oben bescheißen, die ihre Günstlinge an allen Regelungen vorbei mit Geld und lukrativen Deals versorgen, die ihre SMS dann halt einfach löschen und ihresgleichen um sich scharen, mit Posten versorgen, bis das ganze Ding völlig unter ihrer Kontrolle ist.

Dass ich solche Sätze mal schreiben würde, das hätte ich früher auch nicht gedacht. Und dass solche Sätze ganz ohne den ewigen Trump auskommen, ist umso bezeichnender für den verwerflichen Zustand, in dem wir uns befinden. Denn Trump mag von allen Ärschen einer der Allergrößten sein – aber seine Kollegen sind schon längst überall. Und deshalb gilt es, sich zu engagieren. Gegen die Trumps und Idi Amins im Großen und im Kleinen. Gegen das Fett, im bildlichen und im sprichwörtlichen Sinn. Oder, wie es das hervorragende Schweizer Magazin „Republik“ sagt: Gegen den Zynismus, den Vormarsch der Autoritären und gegen die Diktatur der Angst.

Dann kommt die Nachricht rein, dass der große FC Barcelona ausnahmsweise mal einen Trainer gefeuert und Quique Setién als Nachfolger verpflichtet hat. Und weil ich anno tobak mal in Spanien lebte, kann ich sagen: Diesen Mann hätte ich mir auch als Trainer des VfB Stuttgart sehr gut vorstellen können. Als Unwort des Jahres 2020 könnte ich mir übrigens schon jetzt, also mitten während der Handball Europameisterschaft, also genau zu der Zeit, in der Trainer Prokop seine elaborierten Auszeitansprachen vor Millionenpublikum zur Primetime im Fernsehen macht, das Wort „handlungsorientiert“ vorstellen. Aber das führt jetzt endgültig zu weit. Und ist außerdem völlig egal. Den meisten zumindest.