By the way 340 - was der VfB braucht, und was er nicht braucht...

Abstieg ist, wenn Männer weinen. Wenn Fans sich leer und verbraucht fühlen, wenn alles weh tut. Super größter anzunehmender Unfall, sportlich und emotional betrachtet. Im Fußball, diesem hochgezüchteten Mega-Business, ist der Abstieg eines Clubs aus der höchsten Spielklasse auch finanziell ein Desaster. Den in den Relegationsduellen gegen Union Berlin unterlegenen VfB Stuttgart wird der Sturz in Liga Zwei einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag kosten.

Für den Präsidenten des Vereins, der gerade den sportlichen Super-Gau erlebt, ist dieser Niedergang nach eigenen Aussagen nur eine "Delle". Insgesamt habe er seit Amtsantritt 2016 hervorragende Arbeit geleistet, hervorragende Rahmenbedingungen geschaffen, sagt Wolfgang Dietrich. Der Präsident aller Mitglieder wolle er sein, hieß es am 9. Oktober 2016, dem Abend seiner Wahl. Mit dem Slogan "JA zum Erfolg" wurden die Vereinsmitglieder 2017 für die Ausgliederung des Profifußballs beim VfB in eine Aktiengesellschaft begeistert – Erfolgsbesoffenheit ist manchmal ziemlich einfach.

Auch im Falle eines Abstiegs werde er nicht zurücktreten, seiner Verantwortung wolle er gerecht werden, auch in schweren Zeiten. Umso wichtiger seien jetzt Ruhe und Kontinuität. Sagt Wolfgang Dietrich. Hervorragende Rahmenbedingungen, Ruhe und Kontinuität sind ja quasi das Markenzeichen dieses Machers, stete Begleiter seiner erfolgreichen Karriere, ob beim Softwareunternehmen Strässle, bei Stuttgart 21, im Sportrechtehandel bei Rot Weiß Oberhausen, dem 1. FC Kaiserslautern oder den Stuttgarter Kickers. Oder, ohne Ironie ausgedrückt: Wo Dietrich wirkte, war Ärger vorprogrammiert.

Sicherlich kannte auch VfB-Aufsichtsrat und Daimler-Personalvorstand Wilfried Porth den Karriereweg des Mannes, den er für seinen Arbeitgeber Daimler beim VfB als Präsidenten installierte. Als den Mann, der schmerzfrei genug war, das leidige Thema Ausgliederung zügig über die Bühne zu bringen. Damit der Daimler ein für allemal Ruhe vor der eigenen Hütte hatte, nicht ständig fürchten musste, ein unliebsamer Konkurrent steige beim VfB ein und platziere frech sein Logo auf dem Neckarstadion. In einer VfB AG mit Daimler als Ankerinvestor konnte man das rechtlich klar regeln, musste nicht einmal mehr den nervigen Vereinsmitgliedern Rede und Antwort stehen. Vorbei die Zeiten, in denen man VfB-Aufsichtsrat Dieter Hundt gefügig halten musste, indem man dessen Firma Allgaier, einem großen Daimler-Zulieferer, dezent mit Entzug der Aufträge drohen konnte für den Fall, dass dieser sich zu nett mit Porsche oder Hyundai oder sonstwem unterhielt.

Dass Wolfgang Dietrich, kaum im Amt, genau das machte, was er immer macht, nämlich grüne Luft verbreiten, Unfrieden säen, sich selbst in den Vordergrund drängen, keinen Widerspruch dulden, das hätte man beim Daimler wahrscheinlich auch mehr oder weniger gleichgültig hingenommen – wenn das Gebaren des Herrn Dietrich nicht allzu dreiste Formen angenommen hätte. Die Beteiligungen an direkten Konkurrenten des VfB sowie die aus diesen Beteiligungen fließenden Gelder kann man zwar weglügen, hinter komplizierten Floskeln verstecken oder mit angeblichen internen Verträgen verharmlosen – man sollte dann aber auch schauen, dass das Handelsregister nicht das Gegenteil beweist. Dann nämlich muss man sich den Vorwurf gefallen lassen, man habe einen Lügner installiert, für den die Wahrheit Auslegungssache ist.

Und Daimler-Vorstand Wilfried Porth hat genau so einen installiert. Er hat darüber hinaus erst kürzlich noch gesagt, Wolfgang Dietrich sei genau der Präsident, den man gewollt habe. Man habe unter Wolfgang Dietrich viel aufgebaut, was nicht so schnell zerstört werden könne. Wenn er das gesagt hätte, wenn der VfB in der Champions League spielt – viele hätten es ihm vermutlich abgenommen. Aber jetzt? Herr Porth, sind Sie noch bei Sinnen?

Man wird sich beim Daimler wohl ernste Gedanken machen müssen, wie es weitergeht mit dem VfB. Ola Källenius, der neue Chef, ist nicht als Fußballfan bekannt, sondern eher als einer, der sich aufs Autobauen konzentriert. Hinter den Kulissen war zu hören, dass die lange geheim gehaltene Vertragsverlängerung der Mercedes Benz-Bank als Trikotsponsor des VfB auf Wunsch des Daimler-Sprechers erst acht Wochen später erfolgte, ganz als ob es peinlich wäre, für einen solchen Klepperlesverein Millionen auszugeben, während im Konzern Mitarbeiter freigestellt werden. Man kann nur hoffen, dass es ihnen wirklich peinlich ist. Denn wenn Wolfgang Dietrich nicht freiwillig zurücktritt, wird es nur über Druck durch den Ankerinvestor möglich sein, den unseligen Mann loszuwerden.

Ihren eigenen Mann, Vorstand und VfB-Aufsichtsrat Wilfried Porth, werden sie gleich mit loswerden müssen. Denn der hat Dietrich installiert und fabuliert weiter davon, welch gelungener Schachzug das gewesen sei.

Der VfB Stuttgart braucht einen Präsidenten, der innerhalb des Vereins unauffällig moderiert und ihn nach außen mit der gebotenen Zurückhaltung repräsentiert. Auch braucht er einen fähigen Vorstand für das Führen der umfangreichen Geschäfte auf und neben dem Platz. Und er braucht einen Aufsichtsrat, der mit kompetenten Menschen besetzt ist, die den Vorstand kontrollieren, ohne sich dabei ständig wie die Motten ans Licht zu drängen. Leute wie Wolfgang Dietrich oder Wilfried Porth braucht der VfB Stuttgart nicht. Denn diese Leute mitsamt ihrer Spießgesellen haben den VfB dahin gebracht, wo er jetzt ist. Sie haben dem Verein geschadet und sind verantwortlich für Dutzende Millionen verbrannter Euros. Und für den sportlichen Niedergang.

Schade, dass es so kommen musste. Denn bereits vor der Wahl Wolfgang Dietrichs waren dessen nicht vorhandene Integrität und dessen schmutzige Geschäfte bekannt. Es gab Menschen, die vor ihm gewarnt und genau das vorhergesagt haben, was jetzt eingetreten ist. Auch die Mitglieder des VfB Stuttgart müssen sich daher den Vorwurf gefallen lassen, mit verantwortlich zu sein für das Schlamassel. Oder, wie der geschätzte Kollege Christoph Ruf es an anderer Stelle neulich formulierte: Nur die allerdümmsten Kälber wählen ihren Metzger selber.