By the way 325 – grüne Luft statt rosa Wolken beim VfB Stuttgart. Weil ein Greulix einen Destructivus verpflichtet, der wiederum einen weiteren Greulix verpflichtet.

Fußball ist Entertainment, sagt Neapels Präsident Aurelio De Laurentiis. Der sagt auch sonst immer mal Sachen, die zumindest diskutabel sind – aber für den VfB Stuttgart trifft „Fußball ist Entertainment“ sicher nicht zu. Ganz und gar nicht trifft das zu, außer man ist masochistisch veranlagt. Denn Entertainment heißt Unterhaltung, heißt Spaß und Kurzweil, heißt Spannung und immer wieder auch Vergnügen. Rosa Wolken wechseln sich mit Gewittern ab, auf den Schauer folgt der Regenbogen, die Sonne lässt die Knospen sprießen.

Wäre der VfB ein Asterix-Comic, die Sprechblasen aller Akteure wären grün. Gute Laune Fehlanzeige, Neid und Missgunst überall. So tritt der Präsident auf, so zeigt sich der Sportvorstand in der Öffentlichkeit, so läuft der Trainer rum, so trainiert die Mannschaft, und so spielt sie auch.

Jetzt könnte man sagen: Klar herrscht schlechte Stimmung, wenn die Truppe die ganze Zeit verliert und schlecht spielt. Und natürlich machen im Fußball manchmal Winzigkeiten den Unterschied, geht der Ball rein, ist alles gut. Geht er an den Pfosten, ist alles nichts. Nur: Bei anderen Clubs geht der Ball auch oft nicht rein, bei Augsburg, Mainz, Bremen, sonstwo. Oder Hoffenheim, was haben die für Chancen nicht verwertet! Und sicher gibt es auch vieles zu kritisieren bei all diesen und vielen anderen Clubs. Aber die meisten dieser Clubs haben einen Plan, haben eine Philosophie, der sie über Jahre folgen, nach der sie die entscheidenden Positionen besetzen, oben drüber ein Präsident, der uneitel den Laden zusammenhält, oder, wenn er selbst zu ehrenkäsig ist, seine Geschäftsführer vor allem im Sport in Ruhe arbeiten lässt, der gemeinsam verabredeten Philosophie folgend. Kontinuierlich und zielstrebig.

Beim VfB Stuttgart gibt es einen solchen Präsidenten nicht, auch keinen derartigen Geschäftsführer, und deshalb gibt es auch keinen erkennbaren Plan. Beim VfB gibt es einen Präsidenten, der mit denkbar knapper Mehrheit gewählt wurde, weil kein halbwegs seriöser Gegenkandidat überhaupt nur zugelassen wurde. Und selbst ohne Gegenkandidat wurde der Präsident nur gewählt, weil erst kurz nach der Wahl mit 0:5 in Dresden verloren wurde und kurz vor der Wahl ein 4:0 gegen Fürth gefeiert werden konnte, mit dem bis heute besten Vertikalpass aller Zeiten, gespielt vom späteren Weltmeister Benjamin Pavard. In der zweiten Liga, wohlgemerkt.

Der also mit viel Glück und unter für Oppositionelle zwar ärgerlichem aber völlig verständlichem Einsatz größtmöglicher Vereinsmeierei und mit Unterstützung des späteren Ankerinvestors Daimler gewählte Präsident hätte nun trotz knapper Mehrheit die Chance gehabt, den VfB nachhaltig weiterzuentwickeln. Denn wenn auch sein Hauptziel die Ausgliederung der Profiabteilung in eine AG war, wenn er auch bislang nullkommanull als einer aufgefallen war, der Sympathie versprühte, der die Leute mitnehmen konnte – dass er VfB-Fan ist, das konnte und kann man ihm ja schon abnehmen, auch wenn’s schwerfällt. Selbst der Umstand, dass er alsbald den Sportvorstand Schindelmeiser entließ, mag Gründe gehabt haben, die man, wenn auch nur unter Schmerzen, zumindest theoretisch hätte nachvollziehen können, wenn man sie denn gekannt hätte. Und wenn eine übergeordnete Philosophie bereits so verwurzelt gewesen wäre, dass man einen Verantwortlichen durch einen anderen ersetzen kann, ohne wirklich den Kurs zu ändern. Siehe zum Beispiel Mainz und Jörn Andersen.

Den entscheidenden Fehler beging der Präsident aber mit der Verpflichtung des neuen Sportvorstands, den ihm sein Kumpel Dieter, Bruder des Uli Hoeneß vom FC Bayern aufschwätzte. Michael „Pearl Grey“ Reschke mag ein Fußballfachmann sein, ein Fachmann für Führung ist er sicherlich nicht. Vielmehr sind auch seine Sprechblasen grün, um hier mal im Bild zu bleiben, und mit allen Sinnen konnte man geradezu physisch spüren, wie hier das komplette System des entlassenen Vorgängers vernichtet und durch etwas anderes, nicht genauer definiertes, ersetzt wurde. Beiden, „Big D“ dem Präsidenten und „Pearl Grey“ dem Sportvorstand ist nicht nur gemein, dass sie in grünen Blasen sprechen sondern auch, dass sie meinen, alles besser zu wissen. Und als die beiden nach der Entlassung von Jan Schindelmeiser und Hannes Wolf inkl. strategischer 180 Grad-Wende schon wieder meinten, es besser zu wissen als Trainer Tayfun Korkut, da entließen sie ihn und holten statt dessen einen Trainer, der ebenfalls nur in grünen Blasen spricht. Der sicherlich besser verdient als sein Vorgänger, der aber genau die gleiche Taktik verfolgt wie sein Vorgänger mit dem Unterschied, dass er diese Taktik gar nicht kann. Dass er keinen Spieler motivieren kann, keine Atmosphäre des guten Willens erzeugen kann, „positive vibrations“ komplette Fehlanzeige, dafür Gonzalo Castro als Außenverteidiger. Kein einziger positiver Effekt zu sehen, auf keiner einzigen Position. Ganz im Gegenteil, alles wird noch schlechter als es ohnehin schon war. Kennt überhaupt jemand einen Trainerwechsel, der noch sinnloser war?

All dieses vorher zu wissen, wäre Aufgabe des Sportvorstands gewesen. Aufgabe des Präsidenten wäre gewesen, einen Sportvorstand zu verpflichten, der seine Aufgaben erfüllen kann anstatt nur mit seinem alten Notizbuch aus Bayer Leverkusen-Zeiten anzugeben, das er womöglich vom dicken Calli oder einem der Spielerberater abgeschrieben hat. Einen, dem es trotz Super-Jobs in München, trotz seines Rufs als Superperlentaucher beim FC Bayern zu eng wurde, der mehr wollte. Der dann einen Top-Posten in vorderster Front bekam plus 50 Millionen Budget – und der in allen, wirklich allen Bereichen krachend gescheitert ist. Dessen Kader ein Scherbenhaufen ist, in dessen Umgebung man vor lauter grüner Luft kaum atmen kann. Aber genau das passiert fast zwangsläufig, wenn ein Greulix einen Destructivus verpflichtet der wiederum einen weiteren Greulix verpflichtet. Wenn motivierte Kandidaten mit positiver Ausstrahlung gar nicht erst kommen wollen, weil sie gleich die grüne Luft riechen. Wenn graue Herren nur weitere graue Herren in ihrer Umgebung gewähren lassen.

Und als theoretischer Überbau beim VfB dient derzeit genau was? Die Philosophie, alte satte Bestverdiener junge hungrige Potentialspieler desillusionieren zu lassen? Den Trainer quasi systematisch einen nach dem anderen jungen Spieler öffentlich schlecht zu reden, die Alten aber monatelang auf niedrigstem Niveau gewähren zu lassen? Auch die Neuzugänge nach möglichst kurzer Zeit nur noch in grünen Blasen sprechen zu lassen? Die Lüge als legitimes Mittel der Wahl öffentlich zu propagieren? 18-Jährige für teures Geld als sofortige Heilsbringer zu propagieren anstatt den eigenen Nachwuchs zu promoten, den man kurz zuvor und immer wieder als wichtigsten Baustein propagiert hat? Sich von Pep Guardiola einen jungen Spanier mit guten Ansätzen zu holen, sich dafür feiern zu lassen und wenige Monate später schon über eine Leihe öffentlich nachzudenken und tags darauf herauszuposaunen, der junge Maffeo sei so unwillig, den könne man nur noch getrennt von der Mannschaft joggen lassen? Durfte der überhaupt mit dem Team an der nachgeholten Weihnachtsfeier teilnehmen, die wegen des Todes des Vaters von Kapitän Gentner erst nach der Niederlage gegen Mainz stattfinden konnte? Oder musste der ums Amici herum dauerjoggen, während die anderen sich drinnen die Kante gaben?

Merkt Ihr selber, oder? Kann nicht funktionieren, wenn alle nur in grünen Blasen sprechen. Wenn alle meinen, es besser zu wissen, aber kein einziger in verantwortlicher Position ist, der mit seiner Begeisterung und seinem Engagement die anderen mitreißt, die grüne Luft mit Schmackes aus dem Zimmer pustet. Da ist es auch völlig egal, wer im Kader steht, wer auf dem Platz um Punkte spielt. Denn wer nach Stuttgart kommt, der wird schlechter, so will es das Gesetz der grünen Luft. Vollgas geben kann man nur anderswo, nämlich dort, wo die Luft besser ist. Jacob Bruun Larsen letztes Beispiel in einer langen Reihe, zum Glück für ihn nur ausgeliehen von einem Club, der seine Klasse kannte.

Wenn der ideologische Überbau, die Philosophie stimmt, dann kann ein Club mit dem richtigen Personal auch schlechte Zeiten sauber überstehen. Zeiten also, in denen immer und überall diejenigen sich aus der Deckung wagen, die das Aas riechen. Die die Chance wittern, ihre Profilneurosen ausleben und sich die Taschen vollmachen zu können. Hoffenheim nach Nagelsmann in dieser Hinsicht auf jeden Fall interessant.

Beim VfB Stuttgart fehlt es derzeit schon wieder mal am ideologischen Überbau. Und an integren Leuten, die eine übergeordnete Philosophie implementieren und ihr Handeln daran ausrichten und die Aasfresser fernhalten können. Damit die grünen Sprechblasen weggehen. Damit konzentriert und motiviert gearbeitet werden kann.

Natürlich werden sich solche Leute nicht vor der Zeit aus der Deckung wagen, möglicherweise werden sich solche Leute gar nicht aus der Deckung wagen, denn wer würde sich schon ohne Not die dann anstehende öffentliche Schlammschlacht zumuten wollen? Aber die nächste Wahl wird kommen und damit die nächste Gelegenheit, Aufbruchsstimmung zu erzeugen und diese auch zu konservieren. Denn Aufbruchsstimmung zieht weitere Aufbruchsstimmung an und ist immer besser als grüne Luft, die immer mehr grüne Luft anzieht. So wie Wolfgang Dietrich Michael Reschke verpflichtet, der Markus Weinzierl verpflichtet. Ein Triumvirn des Schreckens, und nur folgerichtig gibt der VfB in aller Öffentlichkeit ein katastrophales Bild ab. Vielleicht sollte man nicht nur in der 70. Minute das Stadion verlassen, vielleicht sollte man das Stadion gar nicht erst betreten. Vielleicht wäre das ja ein Signal für die wirklich Einflussreichen in Untertürkheim, die mit dem Stern auf dem Dach. Ein Signal dafür, dass es niemals nachhaltig gut werden kann, wenn die Verantwortlichen nur grüne Luft verbreiten.

PS: Lieber VfB, in ein paar Tagen feier ich einen runden Geburtstag.. Einige meiner Freunde sind Mitglieder bei anderen Bundesligaclubs und feiern etwas nach mir denselben runden Geburtstag. Die haben sie schon vor Wochen gefragt, ob sie damit einverstanden seien, dass ihr Geburtstag im Vereinsmagazin erwähnt wird. Obwohl die weder Dauerkarte noch Business Seat noch sonstwas haben. Die freuen sich über so etwas, die fühlen sich gebauchpinselt, die kriegen vor Freude die Hand gar nicht mehr aus der Hose. Das wollte ich Euch noch sagen. Und dass ich gespannt bin, ob ich mich auch bald gebauchpinselt fühle. Oder zumindest als Mitglied, nicht nur als Kunde wahrgenommen, auch jenseits Eurer täglichen, unfassbar gedankenlos getakteten Werbemails und Whatsapps. Egal ob ich das Stadion über den Bonzensteg betrete oder mein Bier beim PSV trinke. Nicht, dass das jetzt total wichtig wäre – aber wer den Pfennig nicht ehrt, der ist des Talers nicht wert. Und so. Wisst Ihr sicherlich.