By the way 324 – ohne Holger Badstuber ginge es hier nur um Handball. Und um Stefan Kretzschmar...

Nehmen wir mal an, das was Stefan Kretzschmar jetzt zum Thema Meinungsfreiheit gesagt hat, hätte Kurt Klühspies gesagt. Oder Daniel Stephan. Oder sonst irgendeiner der älteren und jüngeren Weltmeister oder Welthandballer, die wir hier haben. Keine Sau hätte das interessiert. Weil die beiden Genannten waren zwar Weltmeister beziehungsweise Welthandballer, aber nie mit Franzi dem Goldfisch liiert. Und überall tätowiert waren sie auch nicht. Was nicht heißen soll, dass ganz Deutschland jetzt plötzlich über nichts anderes spräche als Stefan Kretzschmar, der mal einen rausgehauen hat, so wie er schon früher auch mal einen rausgehauen hat. Denn jenseits der üblichen Reflexe bei Twitter, der Handball-Community und einigen Medien ist die Causa Kretzschmar eher ein Scheinriese. Ganz egal, ob er mit seinen Äußerungen über Bande den Handballsport promoten oder sich in eingebildet hehrer Mission wie kürzlich Karl-Heinz Rummenigge für die Würde des leistungsportelnden Menschen einsetzen will. Ein Philosoph wäre er auch nicht geblieben, wenn er geschwiegen hätte – denn ein Philosoph war er auch vorher nicht. Ein reichsbürgerlich Rechter allerdings gleich dreimal nicht, mindestens.

Wider den herrschenden Meinungsmainstream an die Öffentlichkeit zu treten war im Übrigen noch nie Mainstream im Leistungssport und auch sonstwo nirgends. Unpopuläre Meinungen zu äußern ist nämlich schon qua Definition unpopulär, was gleichzeitig bedeutet, man muss mit Gegenwind rechnen. Und weil es Twitter früher noch nicht gab: Einen Shitstorm in dieser Blase zu kassieren ist zwar auch kein reines Vergnügen aber in Sachen Meinungsfreiheit irrelevant (Kretzschmar hat auch keinen kassiert, und er hat besagtes Interview wahrscheinlich auch nicht aus reiner Provokation oder Kalkulation heraus gegeben, btw.).

Den Handball mit allen sinnigen und unsinnigen Mitteln hierzulande populärer zu machen, das ist unter den gegebenen Bedingungen zum Scheitern verurteilt. Denn einen echten Boom kann der Sport nur auslösen, wenn er häufiger als alle 30 Jahre weltmeisterliche Erfolge feiert und tragische Niederlagen erleidet, und wenn er dazu auch neben viel Glück mit Großsponsoren und Medienpartnern zur rechten Zeit die entsprechenden Typen hat, die sich neben überragender sportlicher Leistungen schon während ihrer aktiven Hochphase von der Öffentlichkeit komplett vereinnahmen lassen. So wie der Boris das öffentlich gemacht hat, so wie die Steffi da gefühlt Jahrzehnte lang sportlich weltweit konkurrenzlos war. Und im Handball? Da heißen die echten Typen „Mimi“, tauchen nur alle paar Jahre mal kurz auf und dissen sich wegen der Nominierungen wie eine Wagenladung voller DSDS-Kandidaten. Trotzdem natürlich alles voll die echten Typen im Handball, wobei „echte Typen“ ein bisschen so tönt wie man früher von „gestandenen Mannsbildern“ sprach und meinte, welche könnten zwölf Maß auf dem Volksfest trinken, danach im Puff die Weiber wegbrettern und dann trotzdem noch mit dem Auto heimfahren.

Jetzt möge bitte keiner kommen und mir unterstellen, ich machte mich über den Handball lustig, diesen tollen Sport, in dem Spiele auf Augenhöhe immer erst in den letzten fünf Minuten entschieden werden, und in dem – naja, zumindest fast immer - die eherne Regel gilt, dass der gewinnt, der mehr Tore als verbleibende Spielminuten geworfen hat. Ganz im Gegenteil, ich bin voller Respekt, habe früher selbst das kleine Tor gehütet und regelmäßig Schmerztabletten genommen und um die Spiele rum gesoffen wie ein echter Typ und ein gestandenes Mannsbild zusammen. Ob ich mir den Spitznamen „Gummiwand“ aufgrund Hexer-artiger Reflexe verdient oder in rückblickender Verklärung selbst ausgedacht habe, ist angesichts der dazwischenliegenden Jahrzehnte nur noch schwer zweifelsfrei zu klären und generell auch vollkommen wurscht. Aber diese künstliche Meinungsfreiheit-Debatte voller Baslers, Thomallas und weiterer profilneurotischer Superhirne, bloß weil der ehemalige Top-Handballer Kretzschmar ein Interview gibt, die nervt. Und außerdem tut es gut, hier mal über was anderes als ausschließlich über Fußball zu schreiben, zumal auch der Fußballclub meines Herzens nervt, und das nicht zu knapp.

Was da beim VfB Stuttgart zur Causa Badstuber gesagt und getan wird, das ist ja wohl von Anfang an der allergrößte Bullshit aller Zeiten. Es ist mir ganz egal, ob der Holger noch von Jan Schindelmeiser geholt wurde oder von Michael Reschke. Den Holger überhaupt zu derart aberwitzigen Konditionen zu holen war ein Irrsinn, diese aberwitzigen Konditionen dann noch aberwitziger zu machen ein noch größerer Irrsinn. Geldverbrennen für Dummies war das. Und weil es beim VfB immer noch schlimmer kommt, tut der acting Sportvorstand Reschke öffentlich so, als wäre die Welt voller zahlungskräftiger Topadressen für Langzeit- Bestverdiener Badstuber, nur um ihn 48 Stunden später wieder als wertvollen Teil der Mannschaft zu loben. Ich möchte nie das trinken müssen, was sie beim VfB da offenbar grade in rauen Mengen saufen. Da komm ich mir ja langsam vor wie... wie... wie bei Fortuna Düsseldorf.