By the way 321 – frühe Hinrundenbilanz, Schweinezyklus, Schande. Aber hinterher ist man immer schlauer...

Allmählich ist es an der Zeit, eine Bilanz zu ziehen. Eine Vorrundenbilanz. Wie ist das denn gelaufen beim VfB Stuttgart in der Hinrunde der zweiten Saison nach Wiederaufstieg?

Die Voraussetzungen für eine weitere erfolgreiche Spielzeit waren gut. Oder besser: sie schienen gut. Zweiter der letzten Rückrundentabelle, den Kessel, wie üblich eigentlich, voller Kohle zum Verfeuern, der Präsident hält auf der Mitgliederversammlung im Juni 2018 „die erste Rede, in der die Abwärtsspirale keine Rolle mehr spielt“ (und ich bedanke mich auf derselben Versammlung bei Mannschaft und Clubführung für eine tolle Rückrunde), der Sportvorstand präsentiert den Kader für die kommende Saison früh wie nie in einer Pressekonferenz, die über die Grenzen unseres Sonnensystems hinaus gerühmt und beklatscht wurde, der Trainer scheinbar so begehrt, dass man den ohnehin noch ein Jahr laufenden Vertrag gleich um ein weiteres Jahr verlängert. CHAMPIONS LEAGUE!

Jetzt ist der VfB gefühlt Letzter, spielt beschissen, wirkt noch dazu unfit. Der Sportvorstand hat alles falsch gemacht, der Präsident sowieso, die Spieler sind teils überbezahlte alte Säcke, teils noch nicht weit genug, den Laden zu schmeißen, der Kader insgesamt ist ein Trümmerhaufen. Und im Nachhinein ist man immer schlauer. Aber was ist falsch gelaufen? Warum kommt der VfB Stuttgart nicht aus dem ewigen Schweinezyklus raus, demzufolge auf jeden kleineren oder größeren Erfolg der Absturz folgt?

Vielleicht hätten sie Tayfun Korkut als Nachfolger von Hannes Wolf nur bis Saisonende verpflichten sollen. Vielleicht hätten sie Jan Schindelmeiser und später Hannes Wolf gar nicht entlassen sollen. Ganz sicher hätten sie Michael Reschke nicht alles allein machen lassen sollen. Ganz sicher hätte Wolfgang Dietrich in sportlichen Belangen weniger auf sich selbst und seinen Sportvorstand als vielmehr auf ein kompetentes Team hören sollen – wenn es denn ein solches Team gegeben hätte. Ganz sicher hätten sie sich nicht blenden lassen dürfen von der letzten Rückrunde, in der viele Punkte nur deshalb geholt wurden, weil das Glück auf unserer Seite war.

Viel „vielleicht“ hier. Einige „ganz sicher“ auch. Aber viele Unsicherheiten weiterhin. Wären wir mit Schindelmeisers Kader schon im ersten Jahr wieder abgestiegen? Wären wir mit Hannes Wolf auch nach Schindelmeisers Entlassung sofort wieder abgestiegen? Wer in Hannes Wolfs letztem Spiel als VfB-Trainer im Stadion war, der konnte sicherlich wenig Hoffnung auf den Klassenerhalt haben. Wer den Kader zum Zeitpunkt der Entlassung von Jan Schindelmeiser studierte, dem musste Angst und Bange werden angesichts des nahenden Saisonbeginns. Und auch wenn ich heute der Meinung bin, das vielgepriesene Netzwerk unseres Perlentauchers Reschke besteht hauptsächlich aus seinem alten Bayer-Notizbuch: wer wollte schon gleich nach seiner Verpflichtung sicher sein, dass das schiefgehen musste, Untergang quasi garantiert? Ich wollte das nicht.

Aber ich wollte ein Team. Ein kompetentes Führungsteam, das auf Augenhöhe die Dinge bespricht. Das gemeinsam eine Philosophie hat und diese konsequent verfolgt. Einer Philosophie konsequent folgen heißt im Profifußball für mich, dass die Philosophie oben steht. Gemäß dieser Philosophie holt der Club seinen Trainer und bastelt mit diesem zusammen den Kader. Und für den Fall, dass man mal danebengreift, dass es trotz eingehender Prüfung durch das kompetente Team einfach nicht passt, tauscht man den Trainer aus.

Beim VfB tauschen sie die Philosophie fast genauso oft aus wie den Trainer. Das, in Verbindung mit dem immer noch nicht vorhandenen „Augenhöhe-Team“ ist für mich der Hauptgrund für den Schweinezyklus.

Jetzt kann man natürlich sagen: Ja, dann hätte man Schindelmeiser und Wolf eben nicht entlassen dürfen – und mag damit völlig richtig liegen. Aber, wie gesagt: Hinterher ist man immer schlauer.

Was mich richtig ärgert ist, dass der VfB unter Wolfgang Dietrich – vereinfacht gesagt – den unseligen Robin Dutt durch den an der Front überforderten Michael Reschke als Alleinverantwortlichen und Bestimmer in sportlichen Belangen ersetzt hat. Dass er in Sachen Fußball-Philosophie weiterhin immer nur reagiert und notdürftig repariert. Dass auch die zweite Mannschaft als permanente Rumpftruppe am absteigen ist. Dass der Präsident es nach der Ausgliederung nicht gut sein lässt, mit seinen ach so tollen Verbindungen ein Team zusammenstellt und sich gebührend zurücknimmt. Ein Team, das wär’s.

Jetzt ist zu hören, man suche schon seit Ewigkeiten einen technischen Direktor. Das ist hart. Weil jetzt traut fast keiner mehr Michael Reschke zu, ein Team, geschweige denn einen zweiten Gott neben sich zu dulden. Jetzt traut, trotz Thomas Hitzlsperger, kaum jemand dem VfB zu, die besten Trainer für den Unterbau bis runter zur F-Jugend zu verpflichten. Weil die handelnden Personen sich durch ihre Starrköpfigkeit als die nächsten Alleingänger geoutet und die meiste Kohle, eigentlich den ganzen Laden verbrannt haben. Über ebendieses Kohleverbrennen und eher schlecht als recht Reagieren hinaus ist eine zukunftsfähige Philosophie weit und breit nicht zu erkennen. Und daher wird sich hier mittelfristig kein Erfolg einstellen. Angesichts der eigentlich unschlagbaren Voraussetzungen schon eine Schande.