By the way 317 – was den Fußball ausmacht. Und was beim VfB nachhaltig ist. Und Klinsmann, natürlich.

Ich würde ja schon gerne auch etwas zum Thema Football Leaks schreiben, zum Beispiel, dass ich es ungerecht finde, wie den Rechercheuren jetzt aus vielen Ecken quasi vorgeworfen wird, sie hätten das ganze Ding medial zu breitbeinig aufgestellt. Als ob das außer den üblichen Verdächtigen auch nur eine Sau interessiert hätte, wenn sie das alles ganz nüchtern und schlicht präsentiert hätten. So wie neulich der Zweitligaclub Eisern Union Berlin das gemacht hat mit einigen sehr interessanten Überlegungen zur Zukunft des Fußballs. Kurz medial hochgekocht, „zu textlastig“ sagte eine bekannte Führungskraft eines bekannten Erstligisten doch tatsächlich - und schon am nächsten Tag wieder weg, Staub ansetzen. Als ob es kaum jemanden interessierte, das mit dem Fußball. Als ob es egal wäre, was unterhalb der Champions League Halbfinals passiert, Hauptsache Ronaldo und Messi. Und wahrscheinlich ist es vielen ja tatsächlich egal, das ganze Gedöns mit der Tradition, und dass man eher die Frau wechselt als den Herzensverein, und das Bratwurst-Klischee in der Halbzeit. Die nachwachsende Fangeneration kennt ihre Stars hauptsächlich von der Playstation, wenn Du da nicht das ganz große Fass aufmachst, dann nehmen die das gar nicht wahr. Also alles richtig gemacht, Football Leaks, gerne weiter dranbleiben, Dampf machen. Selbst wenn die Super League am Ende nicht die ganz große Sensation ist, weil eben schon seit Jahrzehnten ständig in irgendeiner Form geplant – die zahllosen Korruptionen und Gefälligkeiten, das Wegschauen und Durchwinken, die Kumpanei der Großen, die geradezu komplette Abwesenheit von Integrität in den Verbänden und den großen Clubs - all das kann man in seiner Abscheulichkeit gar nicht transparent genug machen. Zerrt sie ans Licht, die dunklen Gestalten, die sich als die Zukunft des Fußballs aufspielen und doch nichts anderes wollen, als von ihm, dem Fußball in kürzester Zeit maximal zu profitieren, sich an ihm zu bereichern. Finanziell und machtpolitisch.

Nun ist es aber so, dass mir hier und heute das Hemd näher ist als der Rock, der Herzensverein präsentiert sich als Trümmerhaufen, da müssen die Football Leaks eben warten. Sie werden mir nicht böse sein, die Football Leaks, denn genau das ist es doch, was den Fußball ausmacht: Leiden am eigenen Verein. Zugegeben, das Feiern auch, nur halt in den meisten Fällen eher selten. Fragen Sie doch mal einen Fan der, sammermal, Stuttgarter Kickers.

Natürlich kann ich auch bei meinem Herzensverein in keinster Weise annehmen, dass viele der Gestalten, die um den VfB Stuttgart kreisen, die ans Licht und ins Amt und in die Mannschaft drängen, zu einhundert Prozent „für den Verein brennen“, wie man so schön sagt. Ganz im Gegenteil, die allerwenigsten Player in diesem Business tragen heutzutage den Verein im Herzen. Es geht ums Geldverdienen, wenn nicht hier, dann eben woanders. Und genau deshalb ist es umso wichtiger, dass einige wenige Personen das ganze Konstrukt zusammenhalten, Personen, die den Verein wirklich weiterbringen wollen. And please don’t call it Stallgeruch! Einfach Leute, die nicht nur das Geld und ihr eigenes Fortkommen sehen, sondern mindestens gleichberechtigt daneben den Verein. Und diese Leute geben dem Verein eine Philosophie, eine Identität, die definieren nicht nur „vorerst bis Weihnachten“ sondern über Jahre, wofür der Verein steht. Spielidee, Unternehmenskultur, all diese Sachen, die bleiben, personenunabhängig. So sollte es sein. So ist es auch vielerorts. Beim VfB ist es nicht so.

Beim VfB geben Aufsichtsräte fundamentalkritische Interviews, und keiner weiß warum. Weil sie in den Sitzungen mit ihrer Meinung übergangen werden? Dann hätte Guido Buchwald gleich damit rauskommen sollen, sagen, dass die Trainerentscheidungen keineswegs einstimmig waren, dass er sehr wohl dagegen war. Oder wird Guido gesteuert, will er gar selbst ans Ruder?

Beim VfB wechseln Präsidenten, Sportchefs und Trainer munter durch. Mit ihnen wechseln Ideen, Philosophien, Kulturen. Nichts kann wachsen, nichts schlägt Wurzeln. Seit Gerhard Mayer-Vorfelder war keiner mehr stark genug, hier irgendwas nachhaltig zu verankern. MV aber immer rotes Tuch, daher der Hinweis: Keine Ahnung, ob er das heute auch noch schaffen würde mit seiner Art der Herrschaftsausübung.

Und jetzt geistert der Name Jürgen Klinsmann durch die Gegend, und ich frage mich, ob das einer ist, der hier nachhaltig wirken könnte. Also im Guten wirken. Der im Team mit anderen eine Philosophie hier reinbringen kann, die mehr ist als das Ergebnis eines Brainstormings mit der Agentur. Der stark und dem Verein verbunden genug ist, hier jeden Stein umzudrehen, richtig durchzuwischen, auszufegen, rigoros und mit dem Rücken frei. Also genau das zu machen, was er vor Jahren beim DFB gemacht hat. Nur nicht den Trainer.

Man kann ihm unterstellen, eines der größten Netzwerke im Fußball zu haben. Expertise und Kompetenz im Business Fußball kann man ihm auch unterstellen. Eine positive Ausstrahlung scheint ebenfalls vorhanden, er ist wohl einer, der andere mitnehmen und begeistern kann. Außerdem habe ich schon vor Jahren hier gefordert, ihn beim VfB in irgendeiner Form einzubinden, die Kohle hätte er als Markenbotschafter beim Daimler verdient. Also bin ich der Meinung, Jürgen Klinsmann wäre angesichts der aktuellen beziehungsweise seit über zehn Jahren herrschenden Misere genau der Richtige für den VfB. Und Präsident Wolfgang Dietrich gibt ihm die nötige Rückendeckung, quasi Gerhard Mayer-Vorfelder 2.0. Denn Dietrich hat zwar den Profifußball ausgegliedert, aber außer vieler vollmundiger Ankündigungen hinsichtlich Strukturen, Professionalisierung und Nachwuchs hier auch noch nichts positives geschaffen. Nachhaltig ist beim VfB weiterhin nur der Niedergang.