By the way 310 – von Sklaven und Hetzjagden. Und Irland. Und Willkommenskultur. Und Stammheim. Es ist kompliziert.

Harte Tage hinter mir. Mit sechs erfahrenen Tresenkräften nach Dublin, dort 1 Nacht Massaker, dann 3 Tage Hausboot auf dem Shannon. Ich kann Ihnen sagen, das Guinness, der Jameson – da wird einem manchmal ganz anders. Der komatöse Schlaf auf dem kalten Boot immer wieder unterbrochen von eigenartigen Phantasien. Schwarze (Guinness!) Reiter kartätschen sich durch Nazidemonstrationen, fischen die auffälligsten raus und nehmen sie mit, als wären das Flaschen hochhaltende G20-Gegner. Massierte Schwadronen Uniformierter rücken geschlossen gegen braunen (Jameson!) Mob vor, als wären das Rotfront-Ökos (Kilkenny!), die auf dem Hambacher Forst Straßensperren errichten, denen man mit einem Blick ansieht, dass ihre Erbauer nie gedient haben. Manchmal war es wirklich schade mühsam, da morgens mit irisierendem Kopfschmerz wieder aufzuwachen.

Kommt man zurück nach Deutschland, so erwartet einen bei der Einreise ein Prozedere, dass man trotz vorgerückten Alters und durchaus vorzeigbarer Reisetätigkeiten immer noch als seltsam erachtet: Man muss endlos warten bei der Passkontrolle (aus einem EU-Staat kommend, wohlgemerkt), weil jeder sonstwo her Kommende von den Zollbeamten mit Fragen gelöchert wird. Warum kommen Sie nach Deutschland, wo werden Sie hingehen in Deutschland etc. Viel lieber wäre es mir eigentlich, schöne Frauen mit Blumenketten würden die Gäste in meinem Land begrüßen. Das wäre doch was, da würde man gerne heimkommen. Die ganz militanten Muselmanen würden auf der Stelle umkehren, weil sie sich von leicht bekleideten Damen niemals eine Kette um den Hals legen ließen. Und alle wären zufrieden. Also ich finde, das ist eine schöne Vorstellung. Aber vielleicht bin ich auch noch nicht wieder ganz nüchtern.

Ein paar Fragen bleiben freilich, auch wenn schon wieder einige Tage ins Land gezogen sind und das leider immer häufiger ausreicht, um die Sachen zu vergessen. Warum zum Beispiel lädt kein wackerer Staatsanwalt den Herrn Gauland mal vor wegen seines FAZ-Interviews und anderer öffentlicher Äußerungen? Das mit dem „Vertreiben“, wie meint er das denn, der Herr Gauland? Darf der das alles einfach so sagen im Rahmen seiner Immunität?

Und die Polizei in Chemnitz, warum macht die nicht mit der gleichen Härte Jagd auf die marschierenden Nazis wie auf die ebenfalls gewaltbereiten Berufsautonomen bei G20-Gipfeln?

Und sind die vielen Gewalt herausbrüllenden Nazis mitsamt ihrer, darf man das sagen, Millionen von Sympathisanten nicht eine viel größere Bedrohung für unsere innere Sicherheit, als es ca. 20 größenwahnsinnig gewordene RAF-Mörder jemals sein konnten? Nicht vergessen, von den Braunen bekleiden etliche ja sogar politische Ämter und sind Geheimnisträger. So viele Stammheims müsste man bauen für die – das alleine würde ja schon einen gigantischen neuen Bauboom auslösen.

Fast wollte man lachen, wenn es nur nicht so traurig wäre: Da fordern manche, die braune Partei vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen. Also ausgerechnet von der Organisation, deren Chef eben jener Partei beratend zur Seite stand in der Frage, wie man um eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz herum komme. Der noch weniger Hetzjagden gesehen haben will als der Kaiser Sklaven. Der oberste Vorgesetzte des besagten Chefs des Verfassungsschutzes ist übrigens unser Bundesminister des Inneren, just saying.

Wenn man sich das alles so anschaut – man könnte durchdrehen, weiß überhaupt nicht mehr, was man denken, wem man glauben soll. Überlegt, ob einige exponierte Leute tatsächlich die Chuzpe haben, in bewegten Zeiten das angenehme mit dem nützlichen zu verbinden. Beziehungsweise mit dem, was grade gefragt ist. Mit einer sauber getimeten Äußerung auf einem Konzert, mit einem zum richtigen Zeitpunkt abgesetzten Tweet, da ist der Applaus so sicher wie die steigenden Verkaufszahlen.

Jetzt muss ich mich schon vor mir selbst erschrecken vor so viel geradezu bösartigem Zynismus. Das haben weder Helene noch der BVB noch sonstwer verdient. Ich entschuldige mich in aller Form. Zieht halt auch an mir nicht rückstandslos vorbei, der ganze Scheiß. Und wahrscheinlich wirkt das Guinness immer noch nach. Umso besser, dass bald der VfB Stuttgart in Freiburg gewinnt. Dann geht’s vielleicht wieder.