By the way 261 – außerordentliche Rede zur außerordentlichen Mitgliederversammlung

Liebe Mitglieder,

man soll sich kurz fassen, heißt es. Also fasse ich mich kurz. Und nachdem der Herr Hück vom Porsche letztes Jahr mit seinem bestellten und wie bestellt gelieferten Gebrüll hier die ganze allgemeine Aussprache gesprengt hat, werde ich diesmal besonders leise sprechen – nicht dass wegen mir noch ein linientreues Mitglied wieder so einen schäbigen Antrag stellt.

Also, liebe Mitglieder, heute stimmen wir ab über die Zukunft unseres Vereins. Des Deutschen Meisters 1950, 52, 84, 92 und 2007. Des Pokalsiegers. Des Europapokalfinalisten, Hartmann deckt Maradona zu, wisst Ihr noch? Knapp an Chelsea gescheitert, Zola, wisst Ihr noch? Champions League, Manchester United, Imre Szabics und Averell, wisst Ihr noch?

Dass dieser unser Verein nach einer Ausgliederung nur noch sechs Mitarbeiter hat, das wusstet Ihr auch? Dass dieser Verein Tischtennis, Faustball, Schiedsrichter und Jugendfußball bis U 15 und sonst gar nix macht, das wusstet Ihr auch? Dass dieser Verein, außer ominöse 75+1 Prozent der Anteile an einer AG zu halten, sonst nix mehr zu tun hat mit Profifußball, keinerlei Einflussmöglichkeiten auf die AG hat, also genauso gut einfach aufgelöst werden könnte, wenn es der AG in den Kram passt, das wusstet Ihr? Nicht dass gegen Faustball und Tischtennis und Schiedsrichter und U-Fußball was zu sagen wäre. Aber mal ehrlich: Mitglied sind doch die Allermeisten hier wegen Profifußball. Der VfB – das ist doch in erster Linie die erste Mannschaft, Bundesliga. Jetzt wieder erste Liga. Aufgestiegen mit dem mit Abstand größten Etat der Liga. Letztes Jahr abgestiegen mit einem weit höheren Etat als viele andere Erstligisten. Und laut Planungen auch in der kommenden Saison wieder erste Liga, mit einem Etat im Mittelfeld. Ganz ohne Ausgliederung!

Grundsätzlich gar nix einzuwenden gegen Ausgliederung. Aber gegen eine Mogelpackung wie diese geplante Ausgliederung einiges einzuwenden. So kalt durchgedrückt, JA zum Erfolg, Friss oder stirb, ohne Ausgliederung haben wir keine Chance, 41 Millionen jetzt sofort, kann man nicht ablehnen und so weiter und so fort.

Mag ja sein, dass es den meisten hier scheißegal ist, keine Fragen stellen, nicht nachdenken, der Dietrich wird’s schon richten. Seh ich anders, solltet Ihr auch anders sehen. Blindes Vertrauen kommt selten gut, und wenn einer bewiesen hat, dass er nicht vertrauenswürdig ist, dann ist es doch gerade unser Präsident, dessen Leben gepflastert ist mit Unwahrheiten und Halbwahrheiten. Der Präsident aller Mitglieder sein will – außer denen, die anderer Meinung sind als er. Und außer den Drecksäcken natürlich.

Hinschauen ist angesagt! Wie letztes Jahr auf der Mitgliederversammlung in der Schleyer Halle nebenan, da war auch Hinschauen angesagt. Mit Finten wollte die Vereinsführung Satzungsänderungen durchdrücken – keine guten Satzungsänderungen. Aber Mitglieder haben hingeschaut, haben darauf hingewiesen, haben das verhindert. Ähnliche und noch einschneidendere Satzungsänderungen liegen auch heute wieder zur Abstimmung vor – und wenn Ihr das heute großzügig durchwinkt, dann braucht Ihr in Zukunft gar nicht mehr hinzuschauen. Weil nämlich der Verein, in dem Ihr Mitglied seid, dann völlig wurschtegal ist. Weil dann die Musik bei der AG spielt und sonst nirgends.

Ich stelle hier ja immer ein paar Fragen. Und auch wenn die eigentlich traditionell nicht beantwortet werden, stell ich heute wieder welche. Und zwar:

  1. Warum finde ich im neuen Satzungsentwurf keinen Hinweis, dass der VfB Stuttgart 1893 e.V. der Mutterverein der ausgegliederten AG ist. Alle anderen AGs haben diesen Zusatz in ihrer Satzung.

Jeder andere Verein, ganz egal ob ausgegliedert in eine AG, KGaA oder GmbH, hat den Hinweis zur Lizenzfußballmannschaft. Der VfB hat das nicht. Kein Hinweis, dass der e.V. der Mutterverein der ausgegliederten AG ist. Jede bereits ausgegliederte AG und KGaA hat diesen Passus in der Satzung stehen. Komisch, oder? Ich dachte, wir wären alle stolz auf unseren VfB!
  1. Warum gibt es kein Geburtsrecht des Vereins im Aufsichtsrat der ausgegliederten AG. Wäre laut Aktiengesetz möglich und wird von den meisten Vereinen auch per Satzung festgeschrieben. Der VfB macht das nicht. Damit ist nicht gesichert, dass die Rechte des Vereins wenigstens ansatzweise auch in der AG vertreten werden. Wo ansonsten zunächst mal Investorenvertreter sitzen, von denen wir nicht wissen, ob sie überhaupt Bock auf Fußball haben. Wenn Wolfgang Dietrich ausscheidet, ist es per Satzung nicht geregelt, dass automatisch ein Vertreter des VfB Stuttgart 1893 e.V. nachrückt. Also die minimalste Möglichkeit will die Vereinsführung nicht in die Satzung aufnehmen, wie der VfB Stuttgart 1893 e.V. noch einen klitzekleinen Rest an Einfluss auf die ausgegliederte AG haben könnte, und das sogar per Gesetz geregelt. Selbst Bayern München hat das getan. Und ich dachte, wir wären alle stolz auf unseren VfB!

Es gibt noch viele weitere Fragen, die hier und heute zu stellen wären. Viele Fragen habe ich auch im Vorfeld schon gestellt. Aber hier und heute sollen auch andere zu Wort kommen – daher habe ich jetzt fertig. Letztes Wort an alle Gegner und Befürworter der Ausgliederung, an alle VfB-Fans: Ganz egal, wie das heute ausgeht – es gibt auch ein Leben nach dem 1. Juni 2017! Danke für Eure Aufmerksamkeit.

So würde ich morgen reden – wenn ich da wäre. Bin aber weg, nicht in der Stadt, außer Landes, overseas. Vielleicht schnappt sich ja jemand anderes die Rede und hält sie morgen. Nix dagegen...

Und hier ist jetzt erst mal Pause, weiter geht’s am 21. Juni. Lasst es Euch gut gehen!